Erste interprofessionelle Ausbildungsstation im Saarland

Viola Horneff, Laura Giulia Gaul (Medizinstudentin im Praktischen Jahr) und Vladislava Demidkina (Generalistik-Auszubildende) zusammen mit Prof. Dr. Michael Zemlin in der IPSAAR.

Mit seiner Entscheidung für die Einrichtung einer Tagesklinik im Bereich der Allgemeinen Pädiatrie und Neonatologie ebnet der Vorstand des Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) den Weg für die Einrichtung der ersten interprofessionellen Ausbildungsstation im Saarland. Auf der „IPSaar“ getauften Station werden Auszubildende verschiedener Gesundheitsberufe und angehende Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit Pädagoginnen und Pädagogen sowie Praxisanleitenden die Arbeitswelt von morgen gestalten und erproben. Ein erstes Pilotprojekt war im Mai gestartet und von den Teilnehmenden mit Bestnoten bewertet worden. Die überaus positiven Ergebnisse der Evaluation hatten den Vorstand des UKS in seiner Entscheidung für die interprofessionelle Ausbildungsstation bestärkt. Die geplante Kombination mit einer Tagesklinik ist einzigartig in Deutschland.  

„Die Tagesklinik als unabhängige Einheit wird das Personal auf den Stationen und in den Spezialambulanzen erheblich entlasten und zugleich die Versorgung der Patientinnen und Patienten weiter verbessern“, freut sich Prof. Dr. Michael Zemlin, Direktor der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie am UKS. „Zudem steigern wir die Attraktivität für den Nachwuchs in Pflege und Ärzteschaft nachhaltig, denn die IPSaar erhebt interprofessionelles Arbeiten zur Königsdisziplin. Von dieser höchstwertigen Didaktik profitieren alle Beteiligten. Ich verspreche mir davon auch eine deutlich verbesserte Nachwuchsgewinnung.“ Als Beleg für die letztgenannte Einschätzung verweist der Klinikdirektor auf das überaus positive Feedback in der Pilotphase. Zwei Studierende, die im Rahmen ihres Praktischen Jahres Teil der ersten beiden IPSaar-Pilotgruppen gewesen sind, waren so angetan von ihren Erfahrungen, dass sie sich in der Klinik bereits auf Assistenzarzt-Stellen beworben haben. Auch die angehenden Pflegekräfte gaben dem Pilotprojekt sehr gute Noten.

Gemeinsame Patientenversorgung fördert das Verständnis füreinander

Im UKS-Schulzentrum nutzen Auszubildende und Lehrende schon seit Jahren unterschiedliche Lern- und Experimentierräume, um neue Ideen für die berufliche Praxis zu entwickeln. Im geschützten Umfeld eines Skills Lab werden die angehenden Pflegefachmänner und Pflegefachfrauen praxisnah ausgebildet, noch bevor sie den ersten Patientenkontakt haben. Auch diese Ausbildungsstation bietet alles, was eine echte Station ausmacht, mit Ausnahme von Patienten. Hier arbeiten Auszubildende verschiedener Disziplinen, wie Pflege, Anästhesietechnische Assistenz und Operationstechnische Assistenz, interprofessionell zusammen. „In Kliniken ist jedoch die Arbeit in multiprofessionellen Teams unerlässlich“, sagt Ulrich Wirth, der das Schulzentrum leitet, „weshalb wir perspektivisch auch Medizinstudierende in unseren Ausbildungsprozess integrieren wollten – und genau das nun auf der IPSaar umsetzen werden.“ Dadurch würden alle Beteiligten noch während Ausbildung und Studium auf ihren späteren Arbeitsalltag vorbereitet. „Aus Studien wissen wir, dass die gemeinsame Patientenversorgung und die Kommunikation auf Augenhöhe das Verständnis der unterschiedlichen Berufsguppen füreinander fördern. Diesen Ansatz verfolgen wir auch in internen Coachings und Seminaren. Die Erfahrung zeigt, dass das bessere Verständnis füreinander zu effizienteren Behandlungsabläufen führt, Fehlerraten senkt und so  letztlich die Patientensicherheit erhöht“, erklärt Vorstandsmitglied und Pflegedirektor Serhat Sari.

Erste Schritte in der interprofessionellen Zusammenarbeit bereits 2018

Die medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes (UdS) hatte bereits sehr früh den Grundstein hierzu gelegt, denn 2018 waren die seit mehr als 20 Jahren existierenden studentischen Anamnesegruppen auch für Auszubildende geöffnet worden. „Während an den meisten medizinischen Fakultäten Anamnesegruppen traditionell monoprofessionell organisiert werden, setzten wir auf interprofessionelle Kommunikation und Zusammenarbeit“, erinnert sich Viola Horneff, die die interprofessionellen Anamnesegruppen als studentische Tutorin ins Leben gerufen und betreut hatte. In Kooperation mit dem Schulzentrum üben seither Medizinstudierende zusammen mit angehenden Pflegefachkräften Anamnesegespräche und Kommunikationstechniken – ein Best-Practice-Beispiel für die interprofessionelle Ausbildung.

Pflegeazubis und Medizinstudierende übernehmen gemeinsam Verantwortung 

Mit dem Ende ihres Studiums ist Viola Horneff als Assistenzärztin in die Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie gewechselt – und hat konsequent den interprofessionellen Ansatz mitgebracht. Auf der IPSAAR übernehmen Pflegeazubis im dritten Ausbildungsjahr sowie ein Studierender der Humanmedizin im Praktischen Jahr als interprofessionelles Team eigenständig die ihnen zugewiesenen Patienten – und damit die Verantwortung für die Patientenversorgung. „Diese kollegiale Selbstorganisation wird durch ein Back-up aus Lernbegleitern und Mentoren der jeweiligen Berufsgruppen, ständige Supervision und ein umfassendes didaktisches Rahmenkonzept unterstützt, um Patientensicherheit und Behandlungsqualität zu gewährleisten“, erklärt die Oberärztin Dr. Marina Flotats Bastardas, die die Einrichtung der Tagesklinik mit großem persönlichen Einsatz vorantreibt und darüber auch am IPSaar-Projekt mitwirkt.

Evaluation zeigt: Motivation und Interesse am Fachgebiet deutlich gefördert

„Bei den Lernenden kam das Pilotprojekt sehr gut an“, freut sich Viola Horneff, „denn sie haben ihren Lernerfolg mit ‚sehr gut‘ bewertet“. Zudem hätten sie einstimmig angegeben, dass die Teilnahme an der Ausbildungsstation sie insgesamt motivierte und ihr Interesse am Fachgebiet der Pädiatrie förderte. „In validierten Fragebögen konnten wir zusätzlich eine Verbesserung interprofessioneller Haltungen und Kompetenzen verzeichnen“, sagt Horneff, die die IPSAAR wissenschaftlich begleitet. Kein Wunder also, dass die Teilnehmenden die Veranstaltung unbedingt weiterempfohlen hätten. „Auch das Feedback der Patienten zeigt sich durchweg positiv“, so Prof. Zemlin. Die Patienteneltern hätten sich gut behandelt gefühlt und hätten die professionelle und freundliche Art der Teilnehmenden der Ausbildungsstation hervorgehoben. Auch das Team der allgemeinpädiatrischen Heimatstation habe sich durch die Zusammenarbeit mit den Teilnehmenden der Ausbildungsstation motiviert und in der eigenen Teamidentität gestärkt gefühlt, ein Befund, der vor dem Hintergrund der Fachkräftesicherung in den Gesundheitsfachberufen nicht hoch genug bewertet werden kann.